Frankfurter Rundschau - 22.08.08

Krach im Bistum Limburg - Trauung von Schwulen löst Wirbel aus

Wetzlar (ddp)- Dass schon eine Woche nach ihrer Hochzeit der Haussegen schief hängen würde, damit hatten Jürgen Erbach und Kristof Heil nicht gerechnet. Dabei sind die beiden doch auch jetzt noch so glücklich miteinander. Aber es ist ja auch nicht ihre Beziehung, die kriselt. Krach gibt es vielmehr im Bistum Limburg. Weil ein katholischer Dekan des Bistums dem schwulen Paar nach der standesamtlichen Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft am vergangenen Freitag kirchlichen Segen erteilte, hat Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst den Dekan gefeuert. "Um weiteren Schaden von der Kirche abzuwenden", wie der Bischof verlauten ließ.

 

Dass die Segnung im Wetzlarer Dom Beachtung finden könnte, hatten der 47-jährige Erbach und der 43-jährige Heil durchaus erwartet. Aber "so eine Aufregung nicht, bei weitem nicht", erzählt Heil. Eine kleine Meldung in der Lokalzeitung - ja. Aber doch keine Interviews für Nachrichtenagenturen und Fernsehsender, gar Einladungen zu Talkshows.

Jetzt stehen Erbach und Heil auf einmal bundesweit im Rampenlicht. Gelten als Vorreiter, weil Segnungen schwuler Paare bisher immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden.

Die Reaktion des Bischofs hat Erbach und Heil enttäuscht. Sich von der Kirche abzuwenden, kommt für sie deshalb aber nicht in Frage.
Ganz im Gegenteil. Sie wollen, dass sich die katholische Kirche mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzt. Dass sich die Kirche öffnet. "Wir stellen uns dieser Diskussion", sagt Erbach.

Limburg galt bislang als eines der liberalsten katholischen Bistümer Deutschlands. Und dies nicht nur wegen Franz Kamphaus, der mit dem Vatikan wegen des Themas Abtreibung aneinandergeriet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Frankfurter Großstadtkatholizismus dem Bistum seinen Stempel aufgedrückt, die Diözese nahm einen weltoffenen Charakter an. In der katholischen Kirche wurde lange vom "Limburger Stil" gesprochen. Gemeint ist damit ein engagiertes Eingehen auf die Probleme der Zeit.

Mit Kamphaus' Nachfolger auf dem Bischofsstuhl scheint nun ein anderer Geist ins Bistum einzuziehen. In seiner Stellungnahme zur Abberufung von Dekan Peter Kollas erklärte Tebartz-van Elst am Mittwoch, die katholische Kirche sehe sich "verpflichtet, für homosexuelle Personen angemessene Formen der Seelsorge zu finden".

Heil kommen bei solchen Sätzen Erinnerungen an düstere Kapitel der Geschichte, als Homosexualität noch als Krankheit und therapiebedürftig angesehen wurde.

"Wir sind nicht krank, sondern ganz normal", sagen beide.
Tatsächlich könnte das Paar kaum 'normaler' daherkommen. Beide sind beruflich erfolgreich, in der Stadt geachtet und führen ein durch und durch bürgerliches Leben - im Nadelstreifenanzug, mit Wochenend-Ferienhaus und den beiden Hunden Max und Moritz.

Erbach ist in der Immobilienbranche tätig und lehrt als Professor an einer Fachhochschule, Heil arbeitet als Kaufmann.

Seit 20 Jahren sind die beiden ein Paar. Kennen- und liebengelernt haben sie sich während des Studiums in Aachen. Damals mischte Erbach beim CDU-nahen Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) mit.

Seit 2005 leben sie in Wetzlar. In der mittelhessischen Stadt mit ihren 50 000 Einwohnern hat sich das Paar gut etabliert. Erbach engagiert sich in der Stadtentwicklung, arbeitet daran, dass die City besucher- und kinderfreundlicher wird.

Angesichts dessen verwundert es kaum, dass neben 200 anderen Gästen auch Wetzlars Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP) an der Hochzeit vergangenen Freitag teilnahm.

Dass die Segnung im Dom solchen Wirbel hervorrufen würde, hängt vielleicht damit zusammen, dass einige die Zeremonie als kirchliche Trauung interpretierten oder fürchteten, sie könne so verstanden werden. In der Stellungnahme von Bischof Tebartz-van Elst heißt es, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Kirche homosexuelle Lebensgemeinschaften der Ehe gleichstellt.

Erbach und Heil finden dies seltsam. Bei der Zeremonie im Dom sei es nicht um das Sakrament der Ehe gegangen, sondern um eine Segnung, wie sie am Ende jedes Gottesdienstes stehe.

"Und Gottesdienste werden ja immerhin auch von Schwulen besucht", sagt Heil, den auch stört, dass "tote Sachen" wie ein neues Haus gesegnet werden dürfen, nicht aber zwei sich liebende Menschen.

Manch einem Zeitgenossen passt das, was in Wetzlar passiert ist und vielleicht schon bald Schule machen könnte, überhaupt nicht. Auf Internetseiten wie kreuz.net liefern sich Befürworter und Gegner einer kirchlichen Segnung schwuler Paare derzeit erbitterte Wortgefechte.

Erbach und Heil selbst haben bis auf eine negative Reaktion bislang nur Zustimmung erfahren. Besonders gefreut haben sie sich über eine ältere Dame, die zufällig im Dom in die Segnungsfeier geriet.

Als die Frau merkte, dass es sich bei den Liebenden, von denen die Rede war, um zwei Männer handelte, habe die Dame zuerst das Gesicht verzogen, erzählt Heil. Am Ende habe sie jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen das Gotteshaus verlassen.